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Hallo,

am letzten Samstag hatte ich die Gelegenheit eine ganz besondere Schule für Schwertkunst zu besuchen. Genauer gesagt handelte es sich dabei um die Kôgen Ittô ryû, einer Schule die in der heutigen Präfektur Saitama in der Stadt Ogano angesiedelt ist. Im folgenden, neuen Artikel meiner Serie „Das Dôjô: Kampf. Kunst. Kultur„, möchte ich diesen wirklich ganz besonderen Ort ein wenig näher vorstellen.

Kôgen Ittô ryû 甲源一刀流 – Henmi Dôjô 逸見道場


Wenn mich eine Sache hier in Japan immer wieder erstaunt, dann ist es die Tatsache, dass Japaner sehr hilfsbereit und zuvorkommend sind. Manche mögen dieses vielleicht als – nun ja – übertrieben ansehen bzw. als eine Art Schutzmechanismus, um großes Übel, welches der unwissende Ausländer anrichten könnte, zu umgehen. Ich glaube jedoch, der Busfahrer der Linie Richtung Ogano, der mich als einzigen Fahrgast begrüßt hatte, war einfach nur sehr freundlich und glücklich darüber, dass sich eine Langnase hierhin verirrt hatte. Ich hatte ihn gefragt, wie man am besten nach Ogano kommen könnte. Die Busse fuhren nur einmal die Stunde und ich war schon etwas spät dran und wollte unter keinen Umständen meinen Zug Richtung Kawasaki verpassen.
Die Region Chichibu in der Präfektur Saitama ist von Tokyo in ungefährt 2 Stunden mit dem Zug zu erreichen. Die bergige Landschaft ist beliebt bei Wochenendtouristen und so war es auch kein Wunder, dass der Zug Richtung Chichibu allerhand Wanderer transportierte.

„Henmi Dojo?“ – fragte mich der Busfahrer. Ich war etwas erstaunt, denn mit dieser Frage hatte ich nicht gerechnet. „Ja“, antworte ich leicht verduzt. „Haben Sie vorher einen Termin abgemacht? Manchmal ist die Familie nicht da, dann wäre Ihr Weg ganz umsonst gewesen“.  – „Ich hatte versucht sie zu erreichen, nur leider blieben meine Anrufe unbeantwortet. So dachte ich mir: Fährst einfach mal auf gut Glück hin und schaust was passiert…“ – „Ah, ich verstehe *lacht*. Warten Sie, ich rufe eben dort an und gebe Henmi-sensei Bescheid, dass Sie auf dem Weg sind.“
Nun war es um meine Fassung ganz geschehen. Das hatte ich wirklich nicht erwartet. Der Busfahrer kramte nun wie wild in seiner Fahrertasche und wählte anschließend eine Nummer auf seinem Mobiltelefon. Am anderen Ende wurde abgenommen – wie ich später erfuhr von Henmi-sensei, dem Sohn des 9. Sôke und genauer gesagt auch dessen Nachfolger.
„Henmi-sensei weiß Bescheid. Er erwartet Sie. Wenn Sie sich jetzt setzen würden, könnte ich Sie gleich dorthin bringen. Sie müssten nur vorher einmal umsteigen, aber ich sag meinem Kollegen, dass er Sie direkt an der Straße zum Dojo rauslassen soll – dann müssen Sie nicht den Weg von der Haltestelle zurück laufen.“
Mein Körper machte instinktiv eine seeehr tiefe Verbeugung mit allerhand verbalen Dankesbekundungen. Ich hatte also doch großes Glück: Jemand war gerade daheim und würde mich empfangen. Das es sich dabei um den zukünftigen Sôke handelte war umso besser.
Die Kôgen Ittô ryû ist primär eine Schule für Schwertkunst, beinhaltet aber auch einige Kata mit der Naginata und in früheren Zeiten gehörte auch Iaijutsu zum Curriculum. Letzteres scheint aber im Laufe der Jahrzehnte verloren gegangen zu sein. Begründet wurde sie von Henmi Tashiro Yoshitoshi im Jahre 1783. Dieser war Schüler von Sakurai Gosuke Nagamasa, einem Mitglied der Mizoguchi-ha Ittô ryû. Mit steigender Erfahrung änderte sich diese Schüler-/Lehrerrolle und Sakurai ging seinerseits bei Henmi in die Lehre, um seine Form der Schwertkunst, die er Kôgen Ittô ryû nannte, zu erlernen. Sakurai Gosuke Nagamasa blieb für sehr lange Zeit in Chichibu bei der Familie Henmi und wurde später auch mit im Familiengrab der Henmi beerdigt. Die Henmi-Familie waren nicht Vasallen eines bestimmten Fürsten oder gehörten einer bestimmten Burg-Stadt an. Sie hatten ihr eigenes Land, welches sie bestellten und unterrichteten jeden, der gewillt war, auf ihren Feldern zu arbeiten. Training am Morgen und am Abend, dazwischen Arbeit auf dem Feld, um dieses zu bezahlen.


Aus der Zeit des Begründers stammt auch der Bau des Dôjô, dessen offizieller Name „Yobukan“ lautet. Obwohl es im Laufe der Jahre ausgebessert worden ist – im letzten Jahr bekam das Gebäude z.B. ein neues Dach – so sind die Grundpfeiler, Stützpfeiler und viele andere Bauelemente nun über 200 Jahre alt. Das Dôjô an sich ist relativ klein – verglichen mit den Dôjô in unserer heutigen Zeit. Es hat in etwa die Ausmaße 15m * 5m und einen wirklich wunderbaren Holzfußboden. Ich weiß nicht wieso, aber jedesmal wenn ich solch alte Dôjô betrete, sei es damals in Matsushiro oder das Honbu-Dôjô der Katori Shintô ryû, muss ich unweigerlich mit meinen Händen über den Boden fahren. Ich bekomme immer eine Gänsehaut, wenn ich solch alt-ehrwürdige Orte besuchen darf. In ihnen spiegeln sich die Erfahrungen und Erlebnisse vergangener Kämpfer und Schüler wieder. Hunderte Schüler standen hier Seite an Seite, schlugen mit ihren Bokuto aufeinander ein, lauschten den Erklärungen ihrer Lehrer, um später hinaus zu  gehen um eigene Schulen zu begründen oder den Namen ihres Lehrer und ihrer Schule in die Welt zu tragen. Mit der Berührung dieses Bodens wollte ich wohl einfach nur einen kleinen Teil dessen spüren, was hier einmal von Statten gegangen ist.


Betritt man das Dôjô, so hängt auf der linken Wandseite eine Kalligraphie mit dem Namen des Dôjô.  Dreht man sich ein wenig weiter, wird ein kleiner Nebenbereich sichtbar. Hier saßen früher die Lehrer auf ihren Tatami-Matten und beobachten die Schüler beim Training. Schwertständer und ein Bild des 5. Sôke zieren die Wände. Desweiteren gibt es einen kleinen Hausschrein. Auf den ersten Blick nicht ersichtlich – genauer gesagt nur dann, wenn man sich im Lehrerbereich befindet – ist ein weiter Waffenständer, der allerhand Langwaffen trägt. Darunter auch einen Yari. Wie ich später erfuhr, wurden diese Waffen in früheren Tagen im Falle eines Dôjô-Yaburi, also einer Aufforderung zum Kampf mit den Mitgliedern der Schule, verwendet. Die Herausforderer sollten nicht die Möglichkeit auf einen Kampf mit scharfen Waffen gestattet bekommen. Also trug man einige Waffen im Dôjô zusammen, welche heute immer noch dort hängen. Im rechten Teil unter der Decke hängt zudem eine alte Sänfte. Welch merkwürdiger Anblick…
Über die Techniken der Schule kann ich recht wenig sagen. Weiter unten gibt es aber nachher ein sehr schönes Video, welches ein wenig Einsicht in die Schule gewährt. Die Schule selbst ist äußert populär in Saitama, in alten Tagen wie auch jetzt. Es gibt mehrere Dôjô und die Zahl der Praktizierenden hält ein sehr gesundes Maß. Während der Meiji-Zeit wurde eine Liste mit allen Schülern seit der Gründungszeit veröffentlicht. Mehr als 2500 Namen finden sich dort und Henmi-sensei sagte mir, sein Vater hätte noch erlebt, wie Freunde und Schüler von ihm meinten, selbst Verwandte dort in der Liste erkannt zu haben. Diese Art der Listen hängt an vielen Plätzen, zumeist an Schreinen in der näheren Umgebung um den Ort Ogano. Eine davon, gewidmet dem Yasukuni-Schrein in Tôkyô, hängt heute im Museum der Schule, welches sich in unmittelbarer Nähe zum Dôjô befindet und vor gut 30 Jahren von der Stadt Ogano gestiftet worden ist. Im Museum selbst finden sich einige wirklich tolle Exponate: Densho, Makimono, alte Rollbilder, Waffen, Bilder diverser Sôke und vieles mehr. Besonders interessant war ein Schriftstück, das älteste in der Sammlung, aus der Zeit vom Begründer. Dabei handelt es sich um eine Mitgliedsliste. Neue Schüler mussten auf die Schule schwören und ihren Namen in alter Art und Weise mit Blut unterzeichnen. Keppan, so nennt sich diese Form der Unterzeichnung, wird heutzutage nicht mehr praktiziert. Henmi-sensei erklärte mir trotzdem die Vorgehensweise: Mit einem Faden wurde das letzte Glied des kleinen Fingers abgeschnürrt und anschließend mit einer Nadel in den Finger gestochen. Der abschließende Fingerdruck auf dem Schriftstück besiegelte den Eid und die Aufnahme in die Schule.

Ein anderes interessantes Stück war eine große Schriftrolle mit einigen Worten zur Philosophie der Schule. Leider – und ich weiß wirklich nicht wieso – habe ich es versäumt ein Foto von dieser Rolle zu machen. Jedenfalls erklärte mir Henmi-sensei, dass das höchste Prinzip der Schule sei, einen starken Geist aufzubauen, der im Angesicht des Gegners nicht wankt und verirrt umher trottet. Der Gegner sollte durch eine so starke Persönlichkeit gänzlich von der Idee abgebracht werden, den Kampf zu eröffnen. Sensei erklärte mir zudem, dass „nur ein gutes Herz ein gutes Schwert hervorbringen würde“ so wie ein „schlechtes Herz nur ein schlechtes Schwert hervorbringen würde“ und den hohen Ziel der Schule nicht gerecht werden könnte. Schwertkunst kommt aus dem Inneren und sollte immer auch als Schulung der Persönlichkeit angesehen werden.

Das Kenjutsu-Curriculum der Schule: Von rechts nach links: 4 Langschwert-Sets
und ein Kurzschwert-Set

Der Begründer: Henmi Tashiro Yoshitoshi



Henmi-sensei stellte sich bereitwillig meinen Fragen und erklärte eine ganze Menge. Er war sehr geduldig und hat öfter auch mal ein wenig weiter ausgeholt. Als wir das Museum wieder verließen, sagte er mir, dass es nicht oft vorkommt, dass Ausländer alleine ihren Weg nach Ogano finden. Meistens kommen sie mit Übersetzern und in größeren Gruppen.
Ich machte noch 1, 2 abschließende Fotos, überreichte Henmi-sensei mein kleines Mitbringsel und bedankte mich nochmals für seine Führung und die Möglichkeit, sein Dojo zu besuchen.


Nach unserer Verabschiedung voneinander ging ich in Richtung Ortszentrum und kaufte noch etwas Sake als Erinnerung. Auf der anschließenden Busfahrt nach Seibu-Chichibu konnte ich noch einmal auf das umliegende Land und die Berge schauen. Hier war ich nun also gewesen – an einem geschichtsträchtigen Ort der Schwertkunst und wieder um eine Erfahrung reicher. Obwohl ich nur etwas länger als eine Stunde dort war, hat mir die Zeit sehr gefallen. Alles war sehr ruhig und bodenständig. Der Herr im Sake-Geschäft hat mir so z.B. auch noch ein wenig über die Gegend und besondere Spezialitäten berichtet. Alle Personen die ich an diesem Tag traf und denen ich von meinem Vorhaben erzählte – dem Besuch des Dôjôreagierten gleich: Alle fingen sofort an zu lächeln und erzählten mir, wie sehr mein Ziel doch mit der Geschichte dieser Gegend verknüpft sei. Man konnte schon ein wenig den Stolz mitschwingen hören…

Wer selbst einmal nach Chichibu möchte, dem sei die Verbindung von Ikebukuro nach Mitsumine-guchi ans Herz gelegt. Dort in den Bus Richtung Ogano und an der Haltestelle Kozawa-guchi aussteigen. Etwas zurücklaufen und dann rechts die Straße hinein. Das Dôjô ist von der Hauptstraße aus zu sehen. Sonst einfach nach diesem Bild Ausschau halten:


Ich hatte Glück, aber man sollte vorher wirklich einmal dort anrufen und höflich nach einem Termin fragen. Henmi-sensei sagte, er sei immer am Wochenende da und dann wäre es kein Problem eine Führung zu bekommen.
Wer nun einmal selbst etwas Bewegtes aus der Gegend sehen möchte, dem sei dieses Video ans Herz gelegt:

Saitama Regional Cultural Asset Portal

Es war ein wirklich toller Tag, den ich so schnell nicht vergessen werde.

剣とは心術なり。

Yours in Budo,
Micha

Hallo,

am letzten Freitag war ich zu Gast bei der Morishige ryu unter der Leitung von Shimazu Kenji-sensei. Bei der Morishige ryu handelt es sich um eine Kunst die den Umgang mit diversen Feuerwaffen lehrt. Einer meiner Trainingskollegen der ebenfalls Mitglied der Morishige ryu ist, hatte sich bereit erklärt mir eine Einführung in diese ganz spezielle Art des Bujutsu zu geben. Bevor ich aber in die Details gehe, hier ein Video zur besseren Verdeutlichung. Aufgenommen am letzten Meiji Jingu Embu am 3. November 2011 in Tokyo:

Shitara-san, mein Trainingskollege und ich kamen gegen kurz nach 18 Uhr im Dojo an. Es war niemand da und so wurden zunächst einige Vorbereitungen getroffen: Heizstrahler aufgestellt (Es war wirklich SEHR kalt), Matten gefegt und umgezogen. Dann zeigte Shitara-san mir sein Gewehr. Leider habe ich das genaue Alter nicht mehr im Kopf, es handelte sich aber definitiv um eine antike Waffe. Er erklärte mir den Schießmechanismus und alle wichtigen Einzelheiten. Laut ihm braucht es nur 30 Minuten um einen ungeübten Neuling diese Techniken beizubringen. Nachdem er das Gewehr einmal auseinander genommen hatte um mir den Lauf zu zeigen (mit Schmiedemarke und Namensschriftzug des Schmiedes) begann er mit  Demonstration dreier Kata aus der Morishige ryu: Ichidan, Nidan, Yondan. In der Morishige ryu gibt es eine Vielzahl von Kata, alle mit unterschiedlichen Prinzipien und Wirkungsgraden. So gibt es z.B Kata für großkalibrige Waffen, Kanonen, Schießen aus dem Wasser oder von einer Burg herab, aus liegender Position oder vom Pferd mit einer Pistole als Bewaffnung.
Die Kata „Ichidan“ beginnt mit Reiho und dem Angrüßen der Waffe. Dann wird sich Richtung Ziel (Mato) bewegt. Hinknien, Waffe laden, Schießposition einnehmen, zielen, entsichern, feuern. Anschließend zurück zum Ausgangspunkt und abschließendes Reiho. Nachem er mir diese Kata demonstriert hatte, durfte ich selber Hand anlegen und den Lade- und Schießvorgang ausprobieren. Natürlich wurde nicht scharf geschossen – dafür gibt es, wie in Deutschland auch, Schießstände. Die meiste Zeit wird aber auf Festen (Matsuri) und Embu geschossen. Zur Grundschule gehört auch, dass man das Gewehr richtig halten kann – auch über einen längeren Zeitraum. 4 Kilo wollen halt auch richtig und effizient bewegt werden. Insbesondere der linke Arm steht unter starker Belastung. Hierfür gibt es dann auch eine Art Suburi, bei der im sitzenden Zustand das Gewehr auf eine bestimmte Art und Weise geladen wird. Im Anschluss zeigte mir Shitara-san dann noch einige Besonderheiten: So wird das Tachi, welches die Schützen bei sich tragen, als Auflagefläche genutzt. Dabei wird das Tachi in den Boden gesteckt und das Gewehr wird entweder auf der Tsuba abgelegt oder aber ein spezieller Aufsatz in Form eines „Y“ wird auf das Ende der Tsuka gesteckt und dort dann das Gewehr abgelegt. Auch gibt es die Möglichkeit, dass sich ein Waffenbruder hinkniet und das Gewehr auf dessen Schulter abgelegt wird. Dieses wird aber nur bei Rüstungs-Trägern angewendet. Kimono würden wohl zu leicht in Flammen aufgehen. Demonstrationen des schnellen Schießend und wie man dem gewaltigen Rückstoß entgegen wirken kann rundeten die Einführung ab.
Nach ungefähr 90 Minuten kam Shimazu-sensei.
Das Besondere an dem Training: Neben der Moroshige ryu trainiert parallel auch die Yagyu Shingan ryu. Shimazu-sensei ist auch hier leitender Lehrer und betreut während dieser Trainingseinheit beide Gruppen nebeneinander.
Shimazu-sensei ist ein Mann von kleinem Wuchs, aber mit einer Austrahlung – unglaublich. Und ein echt lustiger Kerl. Man verzeihe mir dieses Urteil, aber manche Menschen hinterlassen einfach einen bleibenden Eindruck bei mir. Shimazu-sensei ist solch eine Persönlichkeit. Seine Art zu unterrichten, die kleinen Dinge die er aufs Einfachste zu vermitteln vermag und diese Kraft! Er wurde 1938 geboren, fegt aber auch jetzt noch jeden von der Matte. Und als er dann einige der Schwerttechniken aus der YSR demonstrierte war es um mich geschehen. Unglaubliches Körpergefühl, starke Austrahlung, eine Technik jenseits von Gut und Böse. Alle standen staunend um ihm herum, als er mir seine Saya ins Gesicht warf – er demonstrierte nämlich einige der kleinen Gemeinheiten mit denen die Yagyu Shingan ryu aufwarten kann. Wirklich fiese Sachen und das Interessante war die Verbindung der Waffentechniken zum Taijutsu. So wird zB das Schwert in der Yagyu Shingan ryu auch beidhändig eingesetzt, spich es wird  mal verkehrt herum gegriffen, sodass die linke Hand an der Tsuba sitzt.
Obwohl das folgende Video schon etwas älter ist, spiegelt es dennoch gut wieder was mir am Freitag widerfahren ist:

Es war wirklich ein absolut toller Abend. Sensei hat bereitwillig Fragen beantwortet und seine Demonstrationen waren einfach klasse. Soviel Erfahrung – da fühlt man sich wirklich wie ein kleines Flämmchen, nicht der Rede wert und unbedeutend. Aber Shimazu-sensei, sein Feuer konnte man ganz genau in seinen Augen sehen.

Ein beeindruckender Mann.

Mal schauen, wann ich seiner Einladung zu einem Training nachkommen kann…

Yours in Budo,
Micha

Servus Freunde,

am 28.02.2012 endet meine Zeit hier in Tokyo. Ich habe mich entschlossen nach Toyohashi in der Präfektur Aichi zu ziehen. Ich freue mich auf die Zeit und auf die vielen neuen Möglichkeiten die sich mir bieten werden, um mein Studium der klassischen Kampfkünste zu vertiefen. Natürlich werde ich meinem Dojo in Kawasaki die Treue halten: 2-3 mal im Monat versuche ich am Training teilnehmen zu können.

Die Zeit war wirklich schön – wie man hier auf dem Blog wohl auch lesen konnte. Einige Artikel folgen noch, aber dazu später mehr.

Ich freue mich auf die Zeit und das neue Kapitel welches ab März beginnen wird. Ich habe schon einige Pläne im Kopf, darunter natürlich wieder diverse Embu und auch 2-3 Dojo-Besuche. Zudem kommen bald Freunde aus Deutschland – darauf freue ich mich natürlich auch ganz besonders!

Also, bis bald dann!

Yours in Budo,
Micha

Hallo,

während meiner Zeit in Deutschland habe ich in regelmäßigen Abständen diverse Mittelaltermärkte besucht. Ich mochte die Atmosphäre, auch wenn diese Veranstaltungen natürlich nichts mit dem wahren Mittelalter gemein hatten. Sie sollten unterhalten und in meinem Falle taten sie dieses sehr gut. Mit ganz besonders großem Interesse habe ich immer die diversen Falkner-Vorführungen verfolgt. Ich kann nicht sagen wieso, nur hat mir diese Art der Jagd sehr imponiert. Zudem finde ich die Tiere unglaublich schön und elegant.

In den letzten Wochen bin ich, eigentlich auf der Suche nach einer Kenjutsu-Schule, auf eine Schule der traditionellen Kunst der Falknerei hier in Japan gestoßen. Die Rede ist von der Suwa ryû. Die Kunst der Falknerei nennt sich Hōyōjutsu, wird aber auch als Takagari bezeichnet.

Im folgenden Artikel möchte ich diese Kunst ein wenig vorstellen, die den meisten Lesern recht unbekannt erscheinen dürfte. In Teil 1 widme ich mich der Geschichte der Falknerei in Japan. Dabei handel es sich zum Großteil um eine Übersetzung einer Abhandlung mit dem Titel „Japanese Falconry – History & Cultural Aspects“ von Teruo Morimoto, Mitglied der Nationalen Konferenz zur japanischen Falkenjagd. In Teil 2 (der später folgt), würde ich dann gerne auf die technischen Aspekte eingehen. Hierbei wird dann auch auf die jeweiligen Tiere und die entsprechende Ausrüstung und Jagdtechniken eingegangen.

Die Ursprünge der Falknerei in Japan

Mit Sicherheit lässt sich sagen, dass bereits vor dem 6. Jahrhundert japanische Könige mit dieser Art der Jagd begannen. Nach neusten Forschungen wurden bis zum jetzigen Zeitpunkt Tonfiguren (Haniwa) von 6 Falknern und 10 Tieren gefunden. Interessanterweise wurden alle dieser Figuren in den beiden Gebieten gefunden, die später das Zentrum der Falknerei in Japan bilden sollten. Zwei Fragmente wurden auf dem Imashiroduka Hügel gefunden, bei dem es sich vermutlich um das Grab des Königs Ohto handelt (Herrscher Keitai, Herrschaftszeit: 507 – 531). Einige dieser Falken-Figuren hatten Glocken an ihrem Schwanz befestigt, welche eine gängige Methode in Ost-Asien war und bis heute als Tradition in Japan überlebt hat.

Im Nihon Shoki, der ersten offiziellen Chronik aus dem Jahre 720, wird die erste Falkenjagd mit dem Jahr 355 angegeben. Laut dieser Aufzeichnung hat ein Prinz aus der Pekche Dynastie aus Korea einen bis dato unbekannten Vogel namens kuchi trainiert und König Ohsazaki (Herrscher Nintoku) hatte Gefallen an dieser Art der Jagd gefunden.

Daraufhin etablierte der König ein Gruppe von staatlichen Falknern. Pekche ist eine Dynastie manchurischen Ursprungs, deren Kultur stark von China beeinflusst wurde. Die Bezeichnung Kuchi ist kein klassisch koreanisches Wort, aber womöglich von chinesischem oder turkischem Ursprungs. Um was für einen Vogel es sich dabei genau gehandelt haben soll, ist unklar. Manche Forscher gehen von einem Gerfalken aus, andere wiederum von einem sibirischen Habicht. Obwohl diese Geschichte leicht in die Kategorie der Fiktion eingeordnet werden könnte, gibt sie doch einen guten Einblick in die mögliche Gründung einer langen Tradition der Falknerei in Japan.

Altertümliche Falknerei (8. – 12. Jahrhundert)

Altertümliche Falkenjagd wurde von berittenen und bewaffneten Falknern ausgeführt. Diese Szenerie der Jagd oder der Aufbruch zu einer hat mit Sicherheit eine große Wirkung auf Zuschauer gehabt. Die Falkenjagd wurde zu einem Symbol militärischer und ländlicher Macht und es kam die Zeit, in der zentrale Herrscher Monopole oder sogar Verbote erließen, lokale Fürsten diese aber umgingen und der Falkenjagd weiter frönten, indem sie Kontakt zu der Obrigkeit suchten oder Verbindung zum Shintoismus. Eine gute Jagd wurde nicht selten auch als ein Zeichen der guten Verbindung zwischen den höheren Mächten und den niederen Schichten angesehen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass im Laufe der Jahre bis ins 17. Jahrhundert hin sich zwei Linien der Falkenjagd entwickelten, diejenige um die Hauptstadt und des Hofes sowie die in den Provinzen.

In den Jahren 702 (Taihô Edikt) und 718 (Yôrô Edikt) wurde die Falkenjagd-Behörde (Hôyôshi oder auch Shutakashi) dem Ministerium für militärische Angelegenheiten (Hyôbushô) unterstellt mit dem Auftrag als staatliches Organ zu dienen. Im 9. Jahrhundert wurde diese Behörde geschlossen und die kaiserliche Kammer wurde von nun an zuständig für die Angelegenheiten der staatlichen Falkner. Dieses System wurde erst nach dem 12. Jahrhundert wieder geändert.

Unter den wirklichen Enthusiasten der Falknerei fanden sich die folgenden Herrscher: Kanmu (737-806; Regierungszeit: 781-806), Saga (786-842; Regierungszeit: 809-823), Uda (867-931; Regierungszeit: 887-897), Daigo (885-930; Regierungszeit: 897-930), Ichijô (980-1011; Regierungszeit 986-1011), Shirakawa (1053-1129; Regierungszeit: 1072-1086). Zudem die Poeten Ohtomo-no-Yakamochi (716-785), Ariwara-no-Narihira (825-880), Ariwara-no-Yukihira (818-893) und die Generäle Sakanôe-no-Tamuramaro (758-811) und Minamoto-no-Mitsunaka (912-997). Die Techniken und Methoden des Hofes wurden durch solch Personen bewahrt und mit Hilfe staatlicher Falkner über die Jahre vorangetragen.

Das scheinbar älteste Buch über die Falkenjagd stammt aus dem Jahre 818 und trägt den Titel Shinshû Yôkyô (Die neuen Regeln über Falken). Es basiert auf älteren, chinesischen Texten sowie eigenen Erfahrungen. Es beinhaltet die Themengebiete Handhabung, Training, Jagd und die Biomedizin der Raubvögel. Ebenfalls wird der Gebrauch des Takatanuki beschrieben, einem Hand/Armschuh, welcher das japanische Gegenstück zum arabischen Mangalah darstellt. Eine Verbindung zum Egake, einer anderen Art des Handschuh, wird nicht angegeben. Seit jener Zeit waren der Buntfalke und der Habicht die Standardwahl bei der Jagd.

Interessant ist ebenfalls anzumerken, dass im 8. Jahrhundert das Thema Falkenjagd den Weg in die Poesie (Waka) gefunden hatte. Ohtomo-no-Yakamochi verfasste selbst drei Gedichte, welche später von vielen weiteren gefolgt wurden, bis in die Zeit des endgültigen Verbots der Falkenjagd für den höfischen Adelsstand im frühen 17. Jahrhundert.

Weitere Zeugnisse über die Falkenjagd der damaligen Zeit finden sich u.a. auch in der Genji-Monogatari und den Ise-Monogatari. Darüber hinaus finden sich ebenfalls Informationen in den Nihon Ryôki (8.-9. Jahrhundert), Ohkagami (11.-12. Jahrhundert) oder den Konjaku-Geschichen (12. Jahrhundert). Gemälde bezogen auf die Falkenjagd finden sich ebenfalls aus dem 8. Jahrhundert. Die Wichtigkeit dieser Art der Kunst erzeugte eine eigene Art der Kleidung und der Ausrüstung. Obwohl nichts aus der damaligen Zeit die Jahrhunderte überdauert hat, lässt sich anhand geschriebener Aufzeichnung und Bildern die damalige Situation sehr gut ausmalen. Heutzutage noch verwendet man immer noch eine rote Leine aus Seide, welche bereits im 10. Jahrhundert aufgetaucht ist. Die Ästhetik in Bezug auf die Kleidung und der Ausrüstung der Falkenjagd hat bis heute überdauert.

Entwicklungen während des Mittelalters (12. – 16. Jahrhundert)

Die Falkenjagd während des Mittelalters war eng verknüpft mit dem Niedergang des Adels (Kuge) und dem Erstarkens der Kriegerkaste. Titel und Interessen gewannen an Bedeutung und dem Sinn nach Legitimität wurde Wissen systematisiert und es entstanden innerhalb des Hofadels erste Schulen der Falkenjagd die ihr Wissen durch mündliche Überlieferung weitergaben und Geheimnisse vor der Öffentlichkeit bewahren wollten. Unter diesen Familien-Schulen haben die Jinyôin sowie die Saionji einige wichtige Texte zur Falkenjagd hinterlassen. Auf der anderen Seite entstanden in Ost-Japan unter der Kriegerkaste andere Schulen der Falkenjagd (Netsu, Seirai, Utsunomiya, usw).

Beide Strömungen hatten bereits vor dem 12. Jahrhundert und auch danach Kontakt zueinander. Dieser intensivierte sich aber mit der Schaffung des Ashikaga-Shogunats in Kyoto (1336). Von diesem Zeitpunkt an wurde der Einfluss beider Strömungen zueinander immer größer. So folgten alsbald weitere Texte zur Falkenjagd, geschrieben von den Netsu und Seirai. Im Vergleich fanden sich später in den höfischen Schriften weitere Verweise auf die Schulen im Osten.

Saionji Sanekane (1248-1322 ), Nijô Yoshimoto (1320-1388) und Konoe ryûuzan (1536-1612 ), alle drei Mitglieder des höfischen Adels und von hohem Rang, haben jeder selbst einen Satz an Gedichten zum Wissen der Falkenjagd hinterlassen.

Mit ansteigender Popularität kamen auch neue Probleme hinzu: Falkner mussten sich von nun an der Kritik des Buddhismus und seinem Verhältnis zum Tode stellen. Der höfische Adel fand Zuflucht im Gott Hachiman als Schutzpatron der Falkenjagd. Ihnen gegenüber stand der Kriegerstand mit den Gottheiten Suwa und Futarasan. Gerade die Verehrung von Suwa gewann im laufe der Jahre an größerer Bedeutung, auch unter den Jägern des höfischen Adels. Zaubersprüche um für eine gute Jagd zu bitten oder um die Rückkehr eines verloren gegangenen Vogels fanden ihren Weg auch in die shintoistischen Praktiken der damaligen Zeit.

Die Jagdkunst zog auch in die Kunst und Literatur ein: Kasuga Gongen Kenki E (Die illustrierte Geschichte der Wunder der Gottheit Kasuga; Kaiserliche Sammlung), beigetragen von Saionji Kimihira (1264-1315 ), einer der größten Falkner seiner Zeit, zeigt die Falkenjagd vom höfischen Adel.

Diese Art der Kunst, das Porträtieren von Jagdvögeln, entwickelte sich zu einer eigenständischen Kunstform im 16. Jahrhundert in Form vom hängenden Wandrollen, Wandschirmen oder Bemalungen von Schiebetüren. Aufgrund dieser sehr guten Malereien lassen sich diverse Informationen über den damaligen Stand der Falknerei ablesen. So handelt es sich zum Beispiel bei den Igiri um eine Art Lederwicklungen, welche das Geschüh mit den Zehen verbindet. Diese waren chinesischem oder manchurischem Ursprungs welches man oft auf Porträts von sibirischen Habichten erkennen kann.
Mit dem Ende des Mittelalters fand sich immer mehr hohe Fürsten als große Freunde der Falknerjagd. Asakura Norikage (1477 – 1555) versuchte sich erfolgreich in der Aufzucht von Habichten. Oda Nobunaga (1534 – 1582) entwickelte eine eigene Art der Jagdspiels und Tokugawa Ieyasu (1542 – 1615) wird oftmals als größter Falkner in der japanischen Geschichte beschrieben.

Falknerei unter dem Tokugawa Shogunat

Tokugawa Ieyasu verbot die Falkenjagd für den höfischen Adel und formte ein landesweites, hierarchisches System der Falknerei für die höhere Klasse der Samurai. Zudem wollte er die Jagd in den Provinzen und Dörfern regulieren und steuern. Er selbst beschäftigte eine Reihe von Falknern diverser Schulen, wobei er selbst die Falkner-Tradition unter Koneo Ryûzan erlernte. In den folgenden Jahren wurden beide Linien der Falknerei, die des Hofadels und der Kriegerkaste, zusammengefügt. Obwohl die Falkenjagd auf nationaler Ebene kurzweilig verboten wurden ist (von Tokugawa Tsunayoshi zwischen den Jahren 1693 – 1709), wurde vom 8. Shogun Tokugawa Yoshimune (1684 – 1709) dieses Verbot wieder aufgehoben und das System der Falknerei reformiert. Er selbst war nicht nur an der Falkenjagd interessiert sondern verfasste selbst eine Arbeit über die Jagd mit Kranichen. Seine Sammlung über die klassische Falknerei findet sich heute in den Nationalarchiven Japans und den kaiserlichen Archiven.

Die Beziehung zwischen Tokugawa Ieyasu und der Falknerei lässt sich auch gut an seinem Schrein, dem Tôshôgû, erkennen: Falkner haben selbst bei seiner Totenzeremonie teilgenommen und während der ganzen Edo-Zeit entstanden weitere Tôshôgû-Schreine an denen man Schnitzereien von Jagdvögeln sehen konnte. Heutzutage gibt es noch ca. 130 solcher Tôshôgu-Schreine im ganzen Land.

Jagdszenen können auf vielen bemalten Rollen und Wandschirmen bewundert werden. Eines der bekanntesten ist das Hanami Takagarizu Byôbu von Unkoku Tugan. Dabei handelt es sich um einen Wandschirm der eine Jagdszene während der Kirschblüten-Schau zeigt. Heutzutage kann man diesen Wandschirm im Kunstmuseum in Tokyo sehen. Zudem zählt er zu den wichtigen nationalen Kulturgütern. Ein weiterer Wandschirm trägt den Titel Takagarizu Byôbu (Wandschirm mit Jagdszene) und wurde von Kasumi Morikage bemalt. Es zeigt die Jagdkunst im frühen 17. Jahrhundert.
So wie Kriegstaktiken sich verändert hatten, von berittenen Soldaten zu Ansammlungen von Soldaten zu Fuß, so tat es auch die Ausrüstung und Kleidung der Krieger. Diese Wandlungen fanden auch Einzug in die Falkenjagd: Berittene Jagd fand nur noch vereinzelt mit Buntfalken statt und es wurde eher Wert auf die Jagd in kurzer Entfernung gelegt. Manche Forscher vergleichen diese Art der Jagd mit dem ästhetischen Werten des Iai.

Die Falken-Porträts der Tokugawa-Zeit veränderten sich von stereotypischer Darstellung zu individuellen Porträts einzelner Vögel. Dieses war vermutlich einzigartig in Ost-Asien und spiegelt sehr gut die Affinität der herrschenden Klasse für diese Art der Jagd wieder.

Die traditionelle Jagdausrüstung die bis unsere heutige Zeit überdauert hat entstammt der Tokugawa-Zeit. Diejenige die in Philipp Franz von Siebold´s „Nippon“ gezeigt wurden ist, ist fast identisch mit derer in der Sammlung des Tokugawa Kunstmuseums und der heutigen Ausrüstung.

Verwaltung und Training der Jagdvögel oblag Falknern mit erbbarem Titel welche aus den niederen Schichten der Samurai entstammten. Die Schulen die heutzutage noch existieren sind Nachkommen eben dieser Falkner.

Die strengen Vorschriften, der kurzzeitige Verbot der Jagd, trugen ihren Teil dazu bei, dass der Naturschutz im Laufe der Jahre immer wichiger wurde. Die sogenannten Kamoike, Teiche, wurden im frühen 19. Jahrhundert gebaut und sollten Enten zur Jagd anlocken. Diese wurden stetig zu wahren Paradiesen der Falkenjagd.

Falknerei in der Moderne

Im Zuge der Meiji-Restauration kollabierte das System der Falknerei fast vollständig. Viele seit Generationen angestellte Falkner verloren ihre Arbeit. Das Monopol der Falknerei für Mitglieder des Schwertadels wurde aufgehoben und jeder konnte sich von nun an an der Jagd beteiligen.
Einige ehemalige Daimyo, darunter die Fürsten Ikeda, Date oder Kuroda, stellten ehemalige Falkner an um diese Traditionen aufrecht zu erhalten. Sie bauten weitere Kamoike und setzten die Jagd fort. Dieses hat dann wohl auch Kaiser Meiji dazu bewogen, im Zuge seines Bestreben alte Traditionen zu bewahren, ehemalige Falkner wieder einzustellen, welche fortan als staatliche Falkner dienen sollten. Es wurden weitere Bücher publiziert, die Jagd mit Habichten und Wanderfalken nahm wieder zu und selbst westliche Einflüsse traten nach und nach an die Oberfläche (Kleidung).

Der 2. Weltkrieg kam und die Kunst der Falknerei verschwand fast spurlos. Seitens der Regierung gab es keinen Willen, diese Art der Jagd zu bewahren. Daher ist es ehemaligen staatlichen Falknern zuzuschreiben, dass die Falkenjagd bis in unsere Zeit überdauert hat. Murakoshi Sentarô und Hanami Kaoru zeigten ihre Techniken der Öffentlichkeit und gewannen so wieder an Aufmerksamkeit. Ersterer gehört der Yoshida-ryû an, einem Derivat der mittelalterlichen Netsu-ryû. Letzterer entstammt der Linie der Kobayashi, welche sich selbst der Suwa-ryû zugehörig fühlen. Viele der jetzt noch in Japan aktiven Falkner entstammen zum Großteil einer dieser beiden Schulen. In letzter Zeit wurden aber auch vermehrt westliche Praktiken und wissenschaftliche Erkenntnisse eingeführt und integriert, so wie es vor Jahrhunderten schon einmal der Fall war. Heutzutage gibt es verschiedene Vereine und Interessenverbände die sich dem Wohl und dem Fortwirken der Falkenjagd verschrieben haben. Hierunter fallen die Nihon Takajô Kyôkai (Die Falkner-Vereinigung Japans), die Nihon Hôyô Kyôkai (die japanische Falkner-Vereinigung) sowie die Yoshida-ryû Falknerei-Gesellschaft.

Parallel zu den alten Linien der Falknerei entwickelte sich eine Weitere: Jäger die Adler in die Schneeberge der nördlichen Provinzen führten um dort mit ihnen zu jagen. Nach dem 2. Weltkrieg schrumpfte leider auch diese Art der Jagd. Durch Tsuchida Rin’nosuke (1896-1974), Takeda Uichirô (1915-1992) und Kutsuzawa Asaji (1896-1983) fand diese ganz besondere Verbindung zwischen Tier, Mensch und Natur auch Einzug in die weltliche Kultur abseits der Berge: Es wurden Filme, Bücher und sogar Manga herausgebracht. Der Dokumentarfilm „An Old Man and a Hawk“ gewann bei den Filmfestspielen in Cannes im Jahre 1962 den Preis für den besten Dokumentarfilm. Heutzutage gibt es aber nur noch einen Jäger der diese Art zu Jagen bewahrt hat.

Momentane Situation

Obwohl temporär unter das Jagdlizenz-System (1892 – 1901) gestellt, wurde die Falkenjagd von Steuerauflagen befreit und fällt heutzutage nur noch unter die allgemeinen Jagdgesetze. Mit Ausnahme von Kutsuzawa Asaji wurde bis zum heutigen Tage niemand mit dem Titel „Unverzichtbares Kulturgut“ auf nationaler und lokaler Ebene ausgezeichnet. Obwohl die Zahl der aktiven Falkner in den letzten Jahren ein wenig gestiegen ist, ist die Gruppe immer noch sehr klein. Momentan gibt es ungefähr 180 Falkner und es wird von manchen Außenstehenden immer noch als illegal angesehen.

Obwohl die Öffentlichkeit den kulturellen Wert der Falkenjagd anerkennt, wird ihr eigentlicher Sinn der Jagd gerne außen vor gelassen. Es ist von Nöten, diese Kunst nicht als reine Darbietung zur Unterhaltung der Massen verkommen zu lassen, sondern sowohl die Aufklärung der Öffentlichkeit voranzutreiben wie auch die eigentliche Jagd im freien Feld. Obwohl heutzutage westliche Praktiken und Kleidung ebenfalls integriert wurden, wird der traditionelle Wert mit den alten Techniken und dem Wissen vergangener Tage bewahrt und von Generation zu Generation weiter gegeben.

Die nationale Vogelschutzgesellschaft ihrerseits würde die Falknerei gerne auf Basis der Jagdgesetze verbieten und gleichzeitig den Import und die Aussetzung nichtjapanischer Tiere regulieren bzw. ebenfalls unterbinden. Um diesem entgegen zu wirken, haben sich in den letzten Jahren einige Vereine und Gesellschaften zur Nationalen Konferenz der japanischen Falknerei zusammengefunden.

Um mehr in das Blickfeld der Öffentlichkeit zu geraten, engagieren sich in den letzten Jahren vermehrt Falkner in wissenschaftlichen Forschungen oder der Rehabilitation von verletzten Tieren. Seminare von Seiten der Japanischen Falkner Vereinigung sollen weiteres Wissen in den Gebieten Veterinärmedizin oder der Rehabilitation bereitstellen.

Zudem wurden verschiedene Bücher zum Thema Falkenjagd herausgebracht und jährlich werden ein bis zwei Museumsausstellungen zum Thema angeboten. Nichtsdestotrotz steckt dieses Forschungsgebiet noch in den Kinderschuhen. Daher ist es von Nöten, dass akademische Experten und ausgebildete Falkner hier Hand in Hand miteinander gehen.

Japanische Museen und Büchereien besitzen einen Fundus an klassischer Literatur zum Thema. Trotzdem wurde bei weitem noch nicht alles bibliographisch erfasst und es besteht immer noch die Möglichkeit, dass in den Händen Unwissender wahre Schätze von der Bildfläche von Forschung und Praxis verschwinden könnten.

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An dieser Stelle endet der erste Teil zur Falkenjagd in Japan. Anbei zwei interessante Videos:

Suwa ryu Vorführung:

Ein Auschnitt aus der Dokumentation „Hawking in Dewa“. Diese Region befindet sich in den Präfekturen Akita und Yamagata:

Ich hoffe, dass diese kleine Übersetzung dem Leser einen interessanten Einblick in diese andere Seite der japanischen Kultur ermöglicht hat.

Yours in Budo,
Micha

Manchmal passieren wirklich echt abgefahrene Sachen.
Wie heute zum Beispiel:

Hatte mich mit einem Bekannten in Shinjuku verabredet. Wer den Bahnhof kennt, weiß wie groß dieser ist. Ich war früh dran, bin an einem anderen Banhof umgestiegen und *zack*, wer stand da? Mein Bekannter! Falscher Ort, falsche Zeit, richtiger Riecher.

Jedenfalls hatten wir uns ein wenig festgequatscht und wollten eigentlich ins Kabukicho, eins der Rotlichtviertel Tokyo´s, auch wenn der Begriff nach unserem westlichen Verständnis eher unpassend gewählt ist.

Jedenfalls gehen wir Richtung Ausgang, einer von… gefühlten 20 und gerade als wir die Treppe nach oben erklommen kam uns eine Gruppe von älteren Japanern entgegen. Ich war vorher beim Training und hatte meine Schwerttasche dabei – einer der Japaner seine ebenfalls. Ich höre nur „Iaido!!!“ und sehe ein Lächeln. Ich daraufhin: „Stimmt! Guten Abend! Dürfte ich fragen, welche Schule sie betreiben?“ – „Muso Shinden ryu“ – „Ach, was ein Zufall! Ich habe auch Shinden gelernt, bin Shodan.“ – „Oh, interessant! Der Herr hier neben mir ist 8. Dan“ (hier ist mir/uns sprichwörtlich die Kinnlade runtergefallen) – „Freut mich, Sie kennen zu lernen. Mein Freund hier ist Shinden ryu 3. Dan. Er ist gerade in Japan um Urlaub zu machen.“ – „Oh, dass ist aber schön! Woher kommen Sie denn?“ – „Wir sind aus Deutschland.“ Der 8. Dan erhebt die Stimme: „Ich liebe Dich!“ – „Vielen Dank“  (meine bescheidene Antwort). Ein anderer, älterer Herr daraufhin: „Ah, Deutschland. Ishido-sensei, nicht wahr?“ – „Ah, Ishido-sensei aus Kawasaki? Ja! Aber ich selbst habe in Saitama gelernt“ – „Bei Yamazaki-sensei?“ – „Nein, bei Nakamura-sensei, 7. Dan aus Kazo“ …. „Na, dann weiterhin viel Erfolg! Ganbatte kudasai!“ – „Vielen Dank!“ (meine Verbeugung war wirklich seeehr tief…“)

Ich war so perplex, dass ich absolut keine Ahnung habe, wie der gute Name des 8.Dan lautet. Muss jetzt Nachforschungen anstellen. In solch Momenten schießen einem die wildesten Gedanken durch den Kopf. Mein Erster: Versau das ja nicht mit der Höflichkeitssprache! Ging nochmal gut…

Was mir im Nachhinein ein wenig zu denken gibt, ist das Kommentar bzgl. Ishido-sensei. An meine Braunschweiger Freunde: Rockt weiter, Jungs! Die wissen über euch Bescheid hier!

Ehrlich: Solch Geschichten sind wirklich sehr, sehr selten.

Manchmal kommt man an Punkte im Leben, an denen Entscheidungen getroffen werden, bewusst oder unbewusst, von einem selbst oder von Dritten. Manchmal sollte etwas passieren, doch es passiert – nichts. Manchmal ändern sich Dinge, positiv auf der einen Seite, beeinflussen andere hingegen zum Negativen. Und manchmal sind diese Einschnitte von solch großer Wirkung, dass das Ergebnis alles andere als wünschenswert ist.

Mehr als einen Monat ist es her, seitdem ich das letzte Mal hier geschrieben habe. Wirklich spannende Sachen sind nicht passiert: Das neue Jahr hat ganz unspektakulär begonnen, der Trainingsbetrieb wurde wieder aufgenommen und alles ging in geregelten Bahnen. Besonderheiten wie Dojo-Besuche oder Embu fanden nicht statt. Ich arbeite nebenbei an einem Skript über die TSKSR und versuche mich – praktisch wie theroetisch – so gut wie es geht weiter zu bilden.

Trotzdem werden die nächsten Wochen von Bedeutung sein. Ich möchte nicht zuviel vorweg nehmen, aber entweder bleibt alles beim Alten oder die nächsten Monate werden gänzlich anders als geplant.

Zugegeben, dass Training war manchmal sehr – frustrierend. Andere Dinge, die nichts mit Kampfkunst zu tun haben, waren einfach wichtiger und erforderten andere Teile meiner Aufmerksamkeit. Manchmal ist es gut, sich ein wenig vom eigenen Training zu entfernen. Damit ich nicht gemeint, dem eigenen Training fern zu bleiben. Eher, dass man wirklich bewusst in sich gehen muss um alles genau zu reflektieren und bewerten zu können. Kampfkunst ist nicht nur eine körperliche Angelegenheit sondern spielt sich zu einem sehr großen Teil auch in unseren Köpfen ab. Ist unser Geist nicht in den richtigen Bahnen – vielleicht abgelenkt durch äußere Einflüsse – so ist es von größter Not, Bezugspunkte zu finden und anhand dieser den Weg zurück in die Normalität zu finden. Das Training der Kampfkünste ich nicht an einzelne Wochentage oder spezielle Einheiten gebunden. Kampfkunst wird 7 Tage die Woche, 24 Stunden am Tag praktiziert.

Wie es weiter geht, hier in Japan, ist schwer zu sagen. Das Erdbeben, die aktuelle Wirtschaftslage, der starke Yen – alles nicht sehr gute Anzeichen dafür, dass die momentane Situation für uns Ausländer vom Vorteil sei.

Das neue Jahr verspricht – wenn sich alles wieder in den richtigen Bahnen befindet – großartig zu werden: Diverse große Embu, Dojo-Besuche, bestimmt die ein oder andere Anschaffung. Dazu einige Besuche aus Deutschland und neue Eindrücke. Ich freue mich wirklich auf die Zeit.
Wäre schade, wenn sie nächsten Monat vorüber wäre…

Yours in Budo,
Micha

"Wäre ich ein Tautropfen, so würde ich auf der Spitze eines Blattes Zuflucht suchen. Aber da ich ein Mensch bin, habe ich keinen Ort auf der ganzen Welt." - Saigo Takamori
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