Ende Mai, das Thermometer steht bei 30 Grad, die Sonne scheint gemütlich vom Himmel. Ab jetzt beginnt – persönlich gesprochen – die Leidenszeit, insbesondere wenn die Temperaturen noch steigen, gepaart mit einer knackigen Luftfeuchtigkeit bei der man in Kombination mit der Hitze das Gefühl hat, als würde man sich durch eine allumfassende, schwül-feuchte Hitze-Wand bewegen. Um diesem entgegen zu wirken, haben die Japaner während dieser Zeit ein eigenes Spiel entwickelt: Wie effektiv kann man von einer (gekühlten) Klimazone zur Nächsten gelangen? Und die Japaner sind wahrliche Meister darin, auch wenn sie das mit der angemessenen Regelung der Klimaanlagen immer noch nicht richtig hinbekommen. Draußen sind es 35 Grad und, sei es im Kaufhaus oder im Zug, der Herr über die Klimaanlage muss ein Sadist sein, regelt er sie generell auf (gefühlt) leicht über dem Gefrierpunkt. Nicht, dass der Körper dadurch doppelt unter Schock gestellt wird (einmal durch die Hitze und durch das plötzliche Abkühlen), nein, generell kennen die Japaner auch keine Spielräume, sprich stufenweises Anpassen der Klimaregelung an die jeweiligen Temperaturen. Entweder ganz oder gar nicht.

Sommer in Japan bedeutet aber auch, dass dem regelmäßigem Training ein wenig an zuästzlichem Pfiff verpasst wird. Und der Feind heißt hier ganz klar: Schweiß. Himmel, man schwitzt, nein ölt, wie ein Arbeiter im Stahlwerk. Die Brühe läuft einem wie Wasser vom Körper, die Klamotten – bereits nach wenigen Durchgängen an Kata vollgesaugt – werden schwerer und die Zunahme von Flüssigkeit erhöht sich um ein Vielfaches. Zudem hat Schweiß die dumme Angewohnheit die Rutschfestigkeit der Füße komplett zu negieren. Daher kommt es öfter vor dass, wenn man nicht genug Acht gibt, Schläge und Paraden durch Wegrutschen zu komischen Verrenkungen führen können. Was spassig klingt, kann aber auch gerne nach hinten losgehen, insbesondere wenn man bereits voll in seiner Bewegung war. Aber genau da liegt ja auch der Reiz: Unterschiedliche Situationen erfordern ensprechende Anpassungen. Heutzutage ist es zu einem Großteil so, dass entweder auf Matten (Tatami, Kunststoff) oder Fußboden (Holz, Hallenboden) trainiert wird, jedoch die wenigstens Schulen wirklich einmal draußen – unter Realbedingungen – ihr Training durchführen. Eine Schule, welche dieses immer noch praktiziert, ist die Maniwa Nen-ryu, welche in regelmäßigen Abständen „Nodate-Keiko“ betreibt, also Keiko unter freiem Himmel. In der Yagyu Shingan-ryu (und in der Morishige-ryu) wird eine bestimmte Art des Gangs unterrichtet, bei der angenommen wird, dass man sich in einem Gewässer fortbewegen muss. Die Morishige-ryu lehrt z.B. das Laden der Waffe wenn der Träger selbst bis etwa Hüfthöhe im Wasser steht.

Sommer in Japan heißt daher nicht nur, dass man vermehrt auf seinen Flüssigkeitshaushalt Acht geben muss (Dehydratation, hallo!), sondern noch mehr auf die veränderten Umstände des Trainings und deren Einflüsse auf den eigenen Körper, bezogen auf Erschöpfung durch Hitze, Griffigkeit der eigenen Waffe, etc.

Ein Vorteil hat der Sommer allerdings: Das Bier nach dem Keiko schmeckt noch ein Stück besser.

In diesem Sinne, Prost!

Micha

Ps: anbei ein Snapshop aus dem örtlichen Budo-Magazin (Gekkan HIDEN) vom letzten Monat, aufgenommen im Februar beim jährlichen Kobudo Enbu Taikai der Nihon Kobudo Kyokai.

PPS: Die Große Enbu-Saison ist fürs Erste vorüber. Zum Herbst hin wird es noch einmal spannender, genauer gesagt Dank der Enbu am Kashima-Jingu sowie am Nitta-Jinja (Tokyo). Und dann steht auch das 90. Jubiläum des Sugino-Dojo in Kawasaki an. Hierfür laufen die Planungen ebenfalls auf Hochtouren. Dürfte spannend werden.